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80 Jahre LSD: Vom Medikament zur Droge – und zurück?

Vor 80 Jahren entdeckte ein Chemiker die Wirkung von LSD und sah Potenzial als Medikament darin. Doch der Missbrauch brachte LSD in Verruf. Das ändert sich nun.

Basel (dpa) – Ist LSD eine Horrordroge oder ein Wundermittel? Der Entdecker des Rauschmittels hat seinen ersten und zufälligen LSD-Trip später als «wunderbares Erlebnis» beschrieben. Der Schweizer Chemiker Albert Hofmann war überzeugt vom Heilmittelpotenzial. Aber als Hippies in den 60er Jahren LSD-Trips als Flucht vor dem Alltag propagierten, kam der Niedergang.

Horrorgeschichten von Mord und Suizid im LSD-Rausch machten Schlagzeilen. Ende der 60er Jahre wurde LSD in den USA und dann weltweit verboten. 80 Jahre nach dem ersten LSD-Trip von Hofmann (16. April 1943) ist das wissenschaftliche Revival aber nun in vollem Gang. Basel, wo Hofmann damals arbeitete, ist heute ein weltweit führendes Zentrum der akademischen LSD-Forschung.

Am Freitag stellte die Universität Basel eine vielversprechende Studie über den Einsatz von LSD bei Depressionen vor. Zwei moderate bis hohe Dosen könnten die Symptome bei mittel- bis schwergradiger Depression signifikant mindern, sowohl zwei Wochen als auch drei Monate nach der zweiten Dosis, berichtete Felix Müller, Leiter des klinischen Forschungsbereichs für substanzgestützte Therapie an der Universität Basel.

Bis Ende 2022 wurden 61 Patientinnen und Patienten in die Studie aufgenommen. Daten über längere Wirksamkeit lagen nicht vor. Die Studie ist noch nicht von unabhängigen Fachleuten geprüft und in einer Fachzeitschrift veröffentlicht worden. Müller hatte 2022 bereits gezeigt, dass zwei Dosen LSD Ängste anhaltend lindern können. Eine Studie mit LSD bei der schweren neurologischen Krankheit Clusterkopfschmerzen mit erheblichen Schmerzattacken läuft noch.

«Eine der aufregendsten Gebiete der Wissenschaft»

Die Fachzeitschrift «Cell» sprach 2020 von der «Psychedelischen Revolution» in der Psychiatrie. Es geht dabei um Halluzinogene, die Wahrnehmungsveränderungen hervorrufen, wie zum Beispiel Psilocybin, der aktive Wirkstoff der «Zauberpilze», oder LSD.

Renommierte Hochschulen wie die Johns Hopkins Universität in den USA und das Imperial College in London richteten Zentren für Psychedelika-Forschung ein. Bei der Eröffnung in London sprach der Chef, Robin Carhart-Harris, 2019 von «einem der aufregendsten Gebiete der medizinischen Wissenschaft».

Bei psychischen Krankheiten hätten diese Halluzinogene Vorteile gegenüber herkömmlichen Medikamenten, sagt Müller der Deutschen Presse-Agentur: «Psychopharmaka behandeln eher Symptome. Sie müssen jeden Tag eingenommen werden und wenn man sie absetzt, ist die Krankheit oft wieder da. Halluzinogene wirken eher wie eine Psychotherapie.»

Nach der Einnahme von LSD berichteten die meisten Menschen von einer schärferen Wahrnehmung in der Außenwelt und im Inneren, also auch bei Gefühlen. Für viele Patienten sei die Behandlung aber auch anstrengend. «Es ist oft so, dass man sich mit schwierigen Teilen der eigenen Psyche auseinandersetzen muss, dass etwa Ängste auftauchen.»

Die Forschung mit Psilocybin sei weiter als die mit LSD, vermutlich, weil der Wirkstoff nicht so verschrien war wie LSD, meint Müller. Studien legten aber nahe, dass es in der Wirkung praktisch keinen Unterschied zwischen beiden gebe. «LSD wirkt aber bei sehr viel kleineren Dosen», sagt er. 200 Mikrogramm reichten für eine Wahrnehmungsveränderung von 9 bis 14 Stunden.

Bei Psilocybin würden bis zu 30 Milligramm gegeben, dies halte 4 bis 7 Stunden an. «Menschen, die mit Psilocybin und LSD Erfahrung gemacht haben, berichten, dass die Wirkung von LSD einen längeren Ausklang hat, das könnte aus psychotherapeutischer Sicht ein Vorteil sein.»

Die Forschung schläft ein

Rückblende 1943: Albert Hofmann sucht in seinem Labor nach einem Mittel zur Kreislaufstabilisierung. Er kreiert mit einer Säure, die er aus dem Pilz Mutterkorn gewonnen hat, Lysergsäurediethylamid – kurz: LSD. Hofmann kommt aber nicht recht weiter. Am 16. April muss er unbewusst etwas LSD über seine Fingerspitzen zu sich genommen haben, und plötzlich stellt er eine Bewusstseinsänderung fest.

Hofmann berichtet später: «Was immer ich mir vorstellte, war bildhaft vor mir, tief beglückend.» Als er das Experiment am 19. April wiederholt, passiert Schreckliches: Er nimmt eine zu hohe Dosis ein und erlebte einen Horrortrip, bei dem seine Nachbarin ihm als bösartige Hexe erscheint und Möbelstücke bedrohliche Formen annehmen.

Hofmann ist von dem Potenzial seiner Entdeckung bei richtiger Dosierung überzeugt. Sein Arbeitgeber Sandoz macht daraus ein Medikament, das in der Psychotherapie, bei Alkoholsucht und als Stimmungsaufheller bei Schwerkranken zum Einsatz kommt. Doch dann beginnt der Freizeitkonsum. Halluzinogene machen zwar anders als Heroin oder Kokain nicht abhängig und sind körperlich unbedenklich, wie Müller sagt, aber nach vielen Schlagzeilen über Gewaltexzesse im LSD-Rausch wird der Konsum verboten, die Forschung schläft ein.

Wunder der Schöpfung?

Hofmann, der 2008 im Alter von 102 Jahren starb, äußerte sich in seinem Buch «LSD – mein Sorgenkind» traurig über den Missbrauch von LSD als Partydroge. «Es hat mir offene Augen und innere Empfindlichkeit für das Wunder der Schöpfung gegeben, und dafür bin ich meinem Schicksal dankbar», sagte er an seinem 100. Geburtstag.

Der heutige Hype um Halluzinogene könne Probleme bringen, sagt Müller: «Sie werden von manchen als Wundermittel betrachtet. Man muss aufpassen, dass es nicht in eine Glorifizierung kippt.» Davor warnt auch Andreas Reif, Direktor der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie am Universitätsklinikum Frankfurt.

Nach bisherigen Erkenntnissen seien die Substanzen keine Heilsbringer für alle Patienten. Nach Angaben von Müller arbeiten zwei US-Pharmafirmen an Psilocybin- und LSD-Medikamenten. Bis zur Marktreife dürfte es nach seiner Einschätzung aber noch Jahre dauern.